18 Aug | Baumwolltagung – REGION IM FOKUS: Europäische Union
Chancen der EU-Baumwolltextilwirtschaft im internationalen Wettbewerb Bremen, den 17.08.2022: Die Bremer Baumwollbörse und das (…)
mehr lesenInterview mit Axel Trede, Vorstandsmitglied der Bremer Baumwollbörse und Geschäftsführer des Baumwollhändlers Cotton Service International.
Die Baumwollpreise bewegen sich seit Februar kontinuierlich nach unten. Dies lässt sich am Cotlook A, den New York Cotton Futures und auch anhand der Werteentwicklung des CIF Bremen als für den Markt wesentliche Orientierungswerte erkennen. Die Cotton Report Redaktion ließ sich von Axel Trede, Vorstandsmitglied der Bremer Baumwollbörse und Geschäftsführer des Baumwollhändlers Cotton Service International, über Hintergründe und Einflussfaktoren aufklären. Der Verdacht, die Coronakrise könnte ursächlich sein, liegt nahe.
Axel Trede: Die negative Preisentwicklung der letzten Wochen ist nach Anstieg der Baumwollpreise von Oktober 2019 bis Februar 2020 allein eine Folge der Corona-Krise. Sie ist Ausdruck der aktuellen Befürchtungen, dass massive Nachfrageeinbußen auf Konsumentenebene erhebliche Auswirkungen in der gesamten textilen Kette nach sich ziehen werden. Das führt zu sinkenden Preisen. Diese Tendenz ist auch an den Wertpapierbörsen und anderen Rohstoffmärkten ablesbar.
Nein! Was die Preise angeht, ist der Handelskonflikt zwischen den beiden Baumwollgroßmächten bereits in den Hintergrund getreten. Wir haben gesehen, dass die Preise in der Zeit gegen Ende des Konfliktes sich wieder erholten. Ob man Gewinner oder Verlierer aus diesem Streit definieren kann, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass China in den letzten Wochen wieder vermehrt Baumwolle aus den USA geordert hat. Zudem handelte es sich in erster Linie um einen bilateralen Streit, der neben großer Verunsicherung zu Verwerfungen in der textilen Kette führte. Im Vergleich zum Handelsstreit geht es bei der Corona-Krise um eine Pandemie mit erheblichen Folgen weltweit. Des Weiteren sind die Baumwolllagerbestände in China preislich kein entscheidender Faktor mehr – sie befinden sich auf einem für die chinesische Regierung gut handelbaren Niveau.
Ein niedriges Preisniveau wird Baumwollfarmer davon abhalten, für die nächste Saison Baumwollfasern anzubauen – wenn sie denn eine Möglichkeit für alternative Produkte wie Soja, Mais oder andere Getreidesorten haben. Die Entscheidung, was angebaut wird, fällt in diesen Wochen auf der Nordhalbkugel und es ist interessant zu beobachten, wie sich Farmer entscheiden werden. Eine erhebliche Reduktion im Anbau kann den Grundstein für eine Preiserholung in absehbarer Zukunft legen.
Wie jeder von uns selbst wahrnimmt, stehen die Zeichen derzeit nicht auf ‚Konsum‘. Das trifft natürlich auch auf Textilien zu. Auf der Einzelhandelsebene drohen in betroffenen Ländern wegen der starken Markteinschränkungen mit Ladenschließungen und Kontaktsperren zur Verringerung der Infektionsgefahr massive Umsatzverluste. Somit besteht Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Vermarktungssystems. Mode ist im Gegensatz zu langfristigen Konsumgütern wie Autos oder Maschinen Saisonware bzw. sozusagen ein ‚verderbliches‘ Gut – Sommermode ist in Wintermonaten nicht mehr absetzbar. Umsätze gehen verloren und können in dem Umfang nicht in Zukunft ausgeglichen werden. Viele Händler und Marken stornieren deshalb aus Furcht vor Liquiditätsproblemen und mangelnder Nachfrage laufende Saisonaufträge, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Fertigung von Spinnereien, Webereien und von Konfektionsbetrieben für Textilien und Bekleidung in den Produktionsländern Europas, aber vornehmlich in Asien als wesentlicher Nachfrager von Baumwolle hat.
Das ist natürlich nicht exakt absehbar – aber neben vielen nicht kalkulierbaren Faktoren und Auswirkungen ist die Ursache zum Glück endlich. Ein Impfstoff wird in absehbarer Zukunft zur Verfügung stehen und die massiven wirtschaftlichen Folgen, die akut für viele Menschen spürbar sind, werden derzeit mit erheblichen Hilfsprogrammen in diversen Ländern versucht zu begrenzen. Märkte drücken eine Erwartungshaltung, aber nicht den Ist-Zustand aus. Insofern ist weiterhin mit sehr fragilen Marktumständen zu rechnen, solange große Unsicherheit vorherrscht. Die Märkte werden aber früher reagieren, sobald das erste Licht am Ende des Tunnels sichtbar wird.