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26 Mai | Coronafolgen abfedern: Trade Rules der Baumwollbranche eignen sich

Interview mit Axel Trede, Schiedsrichter an der Bremer Baumwollbörse und bei der International Cotton Assocation.

Die Coronakrise hat extreme Auswirkungen auf die textilen Ketten. Textil- und Bekleidungsgeschäfte, die über Wochen geschlossen waren, öffnen langsam wieder ihre Pforten, die Wirtschaft hofft auf Konsumstimmung. Doch die Schäden sind unübersehbar und haben langfristige Auswirkungen. In der textilen Kette selbst sind Entwicklungen zu Tage getreten, die man in der intensiven Form zumindest in den letzten Stufen der Supply Chain noch nicht kannte: Stornos, einseitige Kontraktauflösungen, Vertragsverletzungen. Der Baumwollhandel, ganz am Anfang der Kette, kennt diese Probleme und hat schon vor über hundert Jahren eigene Handelsgesetze geschaffen, um Kontrakttreue und Einhaltung eines guten, fairen Geschäftsgebarens zu erhalten. Bei der Bremer Baumwollbörse und der International Cotton Association, Liverpool gibt es eigene internationale Schiedsgerichte mit Handelsexperten, die im Streitfall einschreiten.

Wir fragen Axel Trede, Schiedsrichter an der Bremer Baumwollbörse und bei der International Cotton Assocation sowie als Vorstand in beiden Verbänden vertreten:

Axel Trede

Herr Trede, wie beurteilen Sie die derzeitige Situation und die Vertragsunregelmäßigkeiten einiger Textil­unternehmen aus Sicht eines Baumwollhändlers?

Textilhersteller-Vereinigungen diverser Länder berichten von erheblichen Schwierigkeiten, bestehende Kontrakte mit zum Teil auch namhaften Marken, Textilketten und bzw.oder Textilhändlern abzuwickeln. Das Bild ist nicht einheitlich – manche Firmen verhalten sich vorbildlich, diverse andere versuchen jedoch die durch Covid-19 verursachte Absatzschwäche auf ihre (Vor)Lieferanten abzuwälzen. Der Schaden ist erheblich und wird bereits jetzt auf mehrere Milliarden Euro geschätzt. Das hat zur Folge, dass sich auch Firmen vorgelagerter Produktionsstufen nicht mehr in der Lage sehen oder dies als Vorwand nehmen, eingegangene Verträge nicht einzuhalten.

Als Baumwollhändler und Arbiter sehe ich eine erhebliche Zunahme von Arbitragen bzw. Schiedsgerichten auf internationaler Ebene innerhalb der letzten vier Wochen.

Können Sie sich vorstellen, ein ähnliches System, wie es dieses bereits seit über einem Jahrhundert im Baumwollhandel gibt, auch auf die folgenden Stufen der Supply Chain auszuweiten? Gibt es da eine Notwendigkeit?

Im Baumwollhandel gilt das eiserne Prinzip der ‚Unverletzbarkeit eines Kontraktes‘ – jedenfalls wenn der Kontrakt nach den Regeln der CICCA*-Mitglieder, wie es die Bremer Baumwollbörse oder die International Cotton Association sind, abgeschlossen wurde. Dieses Prinzip funktioniert unter Ignorierung des Faktors ‚Schuld‘ nach der Maßgabe, dass beide Parteien finanziell in eine Lage versetzt werden, als ob der Vertrag ausgeführt worden wäre. Im Falle einer Nichtabwicklung muss daher die zu dem Zeitpunkt geltende Marktwertdifferenz beglichen werden. Diese Differenz bezeichnet den Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem tatsächlich zu erzielenden Marktpreis zum Lieferzeitpunkt. Dazu muss man wissen: Baumwolle ist ein börsennotiertes Produkt – Preisschwankungen zwischen Kontraktabschluss und Liefertermin können erheblich sein.

Ich kenne das Kontraktwesen bzw. rechtliche Grundlagen am ‚Ende‘ der textilen Kette zu wenig, um beurteilen zu können, ob das o. g. System auch für den Textilhandel anwendbar wäre. Im Rohstoffbereich arbeitet es jedoch vorzüglich, da das Prinzip bestechend einfach wie auch gerecht ist und Schiedsgerichte mit Sachverständigen deutlich schneller und günstiger Rechtssicherheit produzieren als Auseinandersetzungen vor Gerichten.

Es wundert mich jedoch zu hören, dass Firmen, die aus juristisch ‚sicheren‘ Ländern operieren wie USA, Europa, Singapur oder auch Hongkong, offensichtlich zum Teil recht rüde mit ihren Kontraktpartnern in den typischen Herstellungsländern wie Bangladesch, Indonesien, Vietnam, Pakistan und Indien umgehen, ohne ernsthafte rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.

Kategorie: Allgemein, Interviews

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