18 Aug | Baumwolltagung – REGION IM FOKUS: Europäische Union
Chancen der EU-Baumwolltextilwirtschaft im internationalen Wettbewerb Bremen, den 17.08.2022: Die Bremer Baumwollbörse und das (…)
mehr lesenInterview mit Katharina Au, Expertin für Digital Solutions & Strategy bei Bayer CropScience, Deutschland.
Die Landwirtschaft steht unter öffentlichem Druck und gleichzeitig vor großen Herausforderungen. Es geht darum, den Umgang mit vorhandenen knappen Ressourcen wie Boden und Wasser mit Blick auf die Zukunft verantwortlich zu gestalten. Parallel dazu müssen mit Blick auf vermehrt auftretende extreme Witterungsbedingungen mit Trockenheit und Stürmen sowie starken Regenfällen Antworten gefunden werden. Die entscheidenden Fragen sind: Wie wird die Landwirtschaft der Zukunft aussehen? Kann Digitalisierung hierzu einen Beitrag leisten? Die Redaktion des Bremen Cotton Report diskutierte über das Thema mit Katharina Au, Expertin für Digital Solutions & Strategy bei Bayer CropScience, Deutschland.
Katharina Au: Verbraucher, die Politik sowie auch die Akteure der Landwirtschaft diskutieren derzeit intensiv über die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der Landwirtschaft. Handlungsfelder liegen aus unserer Sicht im Bereich des ‚Magischen Dreiecks‘ von ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Wobei es darum geht, die drei Kernelemente des Dreiecks unter Berücksichtigung von regionalen Gegebenheiten in ausgewogener Balance zu halten. Für die Landwirte selbst darf dabei die Klärung von Fragen nach der Wirtschaftlichkeit von Zukunftsstrategien nicht zu kurz kommen.
Meiner Meinung nach kann Digitalisierung dabei helfen, moderne Landwirtschaft nachhaltig produktiver zu gestalten. Ganz konkret können uns digitale Tools dabei helfen, Wasser- und Energieeinsatz zu optimieren, den Boden besser zu schützen und Betriebsmittel noch zielgerichteter und präziser einzusetzen.
Zunächst einmal kann Digitalisierung dabei helfen, Wissen über die Flächen und die angebauten Kulturen breit verfügbar zu machen. Informationen über Wachstum der Kulturen, Bedarfsrechnung für Düngung und den Status der Pflanzengesundheit können über digitale Technologien einfach zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus hilft uns Digitalisierung dabei, auch die Ausbringung von Betriebsmitteln standortspezifisch zu optimieren und sehr präzise zu arbeiten. Gleichzeitig kann auch ein Beitrag zur Minderung des ökologischen Fußabdruckes der Landwirtschaft mit weniger CO2-Emissionen geleistet, aber auch die Balance zwischen produktiver Bewirtschaftung und Biodiversität verbessert werden.
Es gibt extrem viele Projekte, die sich mit Robotern in der Landwirtschaft beschäftigen. Und sicherlich gibt es auch sehr viele unterschiedliche Anwendungsfelder, wie zum Beispiel als Ergänzung zu chemischem Pflanzenschutz in der Unkrautbekämpfung, als Ernteerleichterung in zahlreichen Kulturen. All diese Projekte gehen in die Richtung der Einzelpflanzenbearbeitung – auch das ist ein Weg Richtung Präzision, die ich ja vorher schon einmal beschrieben habe. Ich persönlich glaube aber nicht unbedingt daran, dass wir in naher Zukunft nur noch Roboterschwärme auf den Feldern sehen werden. Aber konkrete einzelne Applikationen können damit sicherlich umgesetzt werden.
Auch die Einsatzmöglichkeiten von Drohnen sind vielfältig. Zum einen werden sie ergänzend zu Satellitenbildern genutzt, um Bildaufnahmen zur Statusanalyse zu generieren und so einen höheren Detailgrad an Informationen zu bekommen, den Satellitenbilder nicht bereitstellen können. In Asien werden Drohnen auch schon heute sehr intensiv zur Betriebsmittelausbringung eingesetzt. Auch in Europa gibt es dazu einige Entwicklungsprojekte, die aber in erster Linie auch hier auf ganz spezielle Anwendungsfälle gerichtet sind, wie zum Beispiel die Behandlung von Steillagen im Wein.
Wir betrachten Digitalisierung neben den Sparten Saatzucht und Pflanzenschutz als dritte bedeutende Säule innerhalb der Unternehmensstrategie von Bayer.
Ich bin davon überzeugt, dass Digitalisierung uns dabei helfen kann, noch bessere Lösungen für die Herausforderungen der Kunden anzubieten – und dabei auch durch Innovation neue Marktstandards zu setzen. Wir arbeiten langfristig auch an ergebnisorientierten Geschäftsmodellen, bei denen wir eine Wertschöpfung nicht über das verkaufte Volumen eines Betriebsmittels erzielen, sondern über das erzielte Ergebnis auf dem Hektar. Aber das ist sicherlich noch ein langer Weg.
Climate FieldViewTM ist unser Einstieg in die digitale Landwirtschaft. Es handelt sich um eine Plattform, die alle Daten der täglichen Arbeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb vereinfacht zusammenführt und so einen Ort bietet, um mithilfe einfacher Navigation und Kartenvisualisierungen ein noch besseres Verständnis und Einblicke in jeden einzelnen Hektar zu bekommen. So können bessere agronomische Entscheidungen getroffen werden mit dem Ziel, Ertrag zu maximieren und Risiken zu minimieren.
Ganz konkret werden zum einen Informationen über die Bestandsentwicklung in der Saison mit Hilfe von Satellitenbildern bereitgestellt. Darüber hinaus hat ein Betrieb die Möglichkeit, Bodenkarten oder historische Erntedaten zu importieren. Mit Hilfe des FieldView Drives werden aber vor allem maschinenunabhängig alle Maßnahmen und die Ernte aufgezeichnet und in der Climate FieldView Plattform aufbereitet. So hat ein Betrieb sehr einfach die Möglichkeit, die verschiedensten Informationen zu vergleichen und zu analysieren. Darauf aufbauend entwickeln wir aktuell Module, in denen wir konkrete Entscheidungen auch mit standortspezifischen Empfehlungen unterstützen. Zum Beispiel können wir schon standortspezifische variable Aussaatkarten im Körnermais anbieten. Aber damit ist es noch nicht getan. Wir arbeiten auch an der Optimierung des Dünger- und Pflanzenschutzeinsatzes.
Ich glaube, dass der technologische Fortschritt gerade auch in Entwicklungsländern einen riesigen Fortschritt bringen kann und wird. Sicherlich sprechen wir hier dann von anderen Anwendungsfällen als in hochentwickelten Ländern in Europa oder großstrukturierten Märkten wie Brasilien und der Ukraine.
Der Fokus in den Entwicklungsländern liegt auch hier auf der Bereitstellung von Informationen, die ohne digitale Technologien vielleicht gar nicht verfügbar wären – schon ein guter Wetterbericht und Prognosen über Krankheits- und Schädlingsdruck oder die Hilfe bei der Erkennung von Problemen können eine große Hilfe sein. Auch hier geht es immer wieder um ein besseres Risikomanagement und das Absichern und Steigern von Produktivität.
Die Landwirtschaft braucht Innovationen. Digitale Lösungen für Pflanzenschutz in Verbindung mit modernen Züchtungsmethoden der neuen Generation werden zukünftig unzweifelhaft eine bedeutende Rolle in landwirtschaftlichen Prozessen spielen. Digitalisierung ist dabei ein großer und breiter Begriff. Es ist ja nicht so, dass bis heute keinerlei Digitalisierung in der Landwirtschaft angekommen ist. Aber ich bin auch sicher, dass wir durch die verschiedensten digitalen Technologien noch weitere riesige Fortschritte für die Landwirtschaft bringen können. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass Digitalisierung kein Allheilsbringer ist – am Ende ist Landwirtschaft ein Gesamtsystem im Zusammenspiel mit der Natur. Und es müssen alle Puzzleteile zusammenpassen, um das Optimum zu erreichen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Interviews in der Rubrik „Nachgefragt“ entsprechen der Meinung des jeweiligen Interviewpartners und geben nicht die Position der Bremer Baumwollbörse als neutrale, unabhängige Institution wieder.
Kategorie: Allgemein, Interviews